Gesamtansicht

Schon in uralter Zeit gab es den Ort, der damals noch nicht Nimbschen hieß. Wie sah er aus? Malerisch liegt er in einem Bogen der Mulde südlich von Grimma. Die breiten Muldenwiesen mit dem mäandernden Fluß in der Mitte ziehen sich flach dahin, beidseitig der Aue steigt das Gelände sanft an. Die Muldenaue selbst ist durchzogen von kleinen Bächen und Wasserläufen, je nach Jahreszeit wechselt der Wasserstand in der Aue. Zumindest zeitweise sind die Wasserläufe schiffbar.

Wahrscheinlich war es keine Siedlung, sondern ein alter heiliger Ort unserer Altvorderen. Laut Rainer Schulz (in „Thing- und Kultplätze im Muldental“) kann der über die Jahrhunderte „abgeschliffene“ und mundartlich entstellte Name auf nimfe oder nymphe in unserer Ur-Sprache zurückgeführt werden. Die einzelnen Silben weisen auf die Weiblichkeit, auf das Lebenslicht und den Bezug zum Mond sowie auf den Geist der Zeugung hin. Und somit bekommt der Ort eine germanisch-urreligiöse Bedeutung: es könnte sich laut Rainer Schulz um einen Kultplatz zur Verehrung weiblicher Haingottheiten – Schutzgeister der Zeugung – gehandelt haben. Die Existenz von Hügelgräbern auf der westlichen, leicht ansteigenden (vor dem Wasser geschützten) Seite der Straße nach Grimma scheint die These der bereits viel früher erfolgten Nutzung dieses Ortes zu bestätigen. Der heilige Ort und spätere Standort des Klosters liegt leicht erhöht über den Muldewiesen. Von den östlichen Fenstern der Ruine schaust Du direkt in die Auenlandschaft.

Wasser:

Auf dem Klostergelände neben dem Klostergarten war ein Teich (auch heute gibt es noch einen kleinen Teich in Hotelnähe). Westlich der Straße nach Grimma lagen zu Zeiten des Klosterbetriebes mehrere Auenteiche, die von Quellen und von der Mulde gespeist wurden. Sie wurden für die Fischzucht genutzt. Dort ist auch heute noch der Aueteich zu finden. Desweiteren gibt es heute noch die Nimbschener Lache, ein toter Abzweig der Mulde nördlich der Klosteranlage, fast bis zu ihr führend. Kann das ein Hafen gewesen sein? Insgesamt ist es möglich, daß der Wasserstand in der Muldenaue höher war, zumindest in Zeiten von Schneeschmelze, Tauwetter und starker Regenfälle. Es gab noch keine gezielte Entwässerung ganzer Gebiete durch Melioration und Deichbau. Ich habe mich über die dicken Mauern gewundert, die sehr urtümlich und viel älter wirken – vielleicht ein (Hoch-)wasserschutz?

Das Kloster – Gründung und Betrieb:

Der Zisterzienserorden ist aus dem Benediktinerorden, der bereits um 530 in Italien gegründet wurde, entstanden, indem sich einige Geistliche mit der Vision, wieder nach den alten traditionellen Regeln des Urchristentums leben zu wollen, ausgliederten und 1098 einen eigenen Orden der Zisterzienser gründeten. Gab es zu Beginn der Ausbreitung des Zisterzienserordens in Deutschland vor allem Männerklöster, öffnete man sich zunehmend und nahm auch Frauenklöster in den Orden auf. Die Patronin des Ordens ist seit der Gründung und bis heute Maria.

Der Baubeginn des Klosters Marienthron ist um 1265. Es war ein Nonnenkloster. Heute steht nur noch die Ruine des Klausurgebäudes, das die Ostseite der Klosteranlage bildete. Hermann Koestler beschreibt 1936 das mögliche Aussehen der Anlage so: „Die Ruine war zuletzt Scheune. Sie hat früher wohl Wohngebäude enthalten und ist die Ostwand des rechteckigen Klostergartens, der rings von Bauten umschlossen war. Im Süden lag die Kirche, im Westen der Kreuzgang und auf der Nordseite ein Bau, der auch zum Wirtschaftshof gehörte und zum Teil Ställe enthielt.“ Diese Annahme basiert auf der Tatsache, daß die Klöster eines Ordens stets ähnlich aufgebaut waren, und es zahlreiche Überlieferungen und noch bestehende Zisterzienser-Klosteranlagen gibt.

Weiter beschreibt Hermann Koestler: Aus der Zeit ab 1500 sind vom Kloster Nimbschen Rechnungen und Teile einer Buchführung erhalten, die „uns nicht nur ein anschauliches Bild klösterlichen Lebens geben, wie es kurz vor der Reformation war, sondern durch die Beziehungen zur Wirtschaftsgeschichte und in ihren Einzelheiten von allgemeinem Interesse sind.“ So kann man aus den Unterlagen entnehmen, wie sich die Einnahmen zusammensetzten, wie die Vorratshaltung aussah, wer im Kloster lebte und arbeitete, welche Aufträge an Handwerker und Händler vergeben wurden, welche Bau- und Reparaturmaßnahmen durchgeführt wurden. Zu dem Wirtschaftsbetrieb des Klosters gehörten eine Brauerei, eine Ziegelei, eine umfangreiche Land- und Viehwirtschaft, die Jagd, die Fischerei.

Zu den Regeln des Zisterzienserordens gehört, von der eigenen Hände Arbeit zu leben. So lebte das Kloster selbstversorgend. Aus den Verkäufen der Überproduktion wurden die Dinge und Leistungen bezahlt, die man nicht selbst herstellen bzw. erbringen konnte (z.B. Gewürze, Salz, Ersatzteile und Handwerkerdienste). Das Kloster Marienthron und generell die Zisterzienserinnenklöster waren ein Ort der Spiritualität, der Bewahrung und Weitergabe alten Wissens von Frau zu Frau, der Forschung und Lehre, eine sichere Unterkunft für junge Frauen, die hier eine erstklassige Ausbildung erhielten. Darüberhinaus waren sie ein enormer Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber in der jeweiligen Region. Sie agierten völlig selbständig, waren dem Zugriff des Bischofs bzw. Erzbischofs weitestgehend oder sogar komplett entzogen.

Ende des Klosterbetriebes durch die Reformation:

Als ich die Geschichte des Klosters weiterverfolgte, las ich, daß es 1542 „im Zuge der Reformation aufgelöst“ wurde. Und was bedeutet das? Mir fiel ein, so etwas ähnliches schon einmal bei dem Besuch eines Klosters gelesen zu haben. So schaute ich mir verschiedene Klöster und deren Vergangenheit an und lernte, daß die meisten Klöster zu dieser Zeit aufhörten zu existieren.

Ab 1535 unterlagen sie einem Prozeß der Enteignung und Verstaatlichung, der sich Säkularisation nannte. Stück für Stück gelangten kirchliche und klösterliche Besitztümer in den Besitz weltlicher Herren, die nun selbst den neuen evangelischen Glauben angenommen hatten,  wurden in weltliche Fürstentümer umgewandelt oder einverleibt. Die klösterlichen Bauten wurden teils umfunktioniert z.B. zu Bildungsanstalten, manche verfielen. Die Mauern vom Kloster Marienthron in Nimbschen fungierten z.B. als Steinbruch für die Baumaterialgewinnung für andere Bauten.

Letztendlich hat die Reformation, vordergründig durch Martin Luther angestoßen, zu einem enormen Macht- und Kontrollzuwachs beim Staat geführt, der nun die komplette Verfügungsgewalt über sämtliche Ländereien seines Territoriums inne hatte.

Die Klöster, abgeschieden und hinter dicken Mauern als spirituelle Glaubensgemeinschaft geschützt, als Refugien der Aufbewahrung und Pflege alten Wissens, der Wissensweitergabe und Lehre, als autarke, durch disziplinierte Arbeit oft wohlhabend gewordene Zentren von Handwerk, Heilung und Schrifttum, waren zerstört.

Nur ganz wenige Klöster haben diese Zeit überstanden – vielleicht durch die Unterstützung wohlwollender Schirmherren auf weltlicher Seite, wie z.B. die Zisterzienserklöster St. Marienstern bei Kamenz und St. Marienthal bei Ostritz. So ist es zu erklären, daß es manchmal in komplett evangelisch geprägten Gegenden mittendrin katholische Klöster gibt.

Ist es ein Zufall, daß (lt. Wikipedia) die meisten Hexenprozesse in Europa zwischen 1450 und 1750 stattfanden, jedoch der Höhepunkt der Verfolgungswelle von „Hexen“ und „Ketzern“ in Europa zwischen 1550 und 1650 lag? Das Frauenbild hatte sich gewandelt. Selbständig agierende, wissende Menschen (insbesondere Frauen) waren nicht mehr gewünscht. Die Kirche als Institution hatte sich radikalisiert und hatte den Anspruch, allein darüber zu bestimmen und zu wachen, was die Menschen wissen und glauben durften.

Teil des Nordgiebels der Ruine

Teil des Nordgiebels der Ruine

Aus einem kurzen Abstecher zu einer Klosterruine, die scheinbar „ohne Worte“ in der Landschaft steht, ist eine Geschichte geworden, die noch nicht zu Ende ist. Diese alte Stätte ist auf jeden Fall einen Besuch wert, und bringe Dir auch etwas Zeit mit. Auch die Umgebung möchte erforscht und bewundert werden. Sie ist voll schöner Energie. Ich wünsche Dir viel Freude beim Entdecken!

Wenn Du weiterschauen möchtest – folgende Klöster habe ich selbst besucht bzw. recherchiert:

– Zisterzienserkloster Buch (gegründet als St. Marien) – nach der Reformation wurde es mit seinen Ländereien zu einem landwirtschaftlichen Betrieb

– Benediktinerkloster Goseck – um 1540 im Zuge der Reformation aufgelöst

– Zisterzienserkloster Grünberg (ab 1292 Frankenhausen) – 1529 Säkularisation, 1543 Räumung

– Zisterzienserkloster Ivenack (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) – 1556 im Zuge der Reformation aufgehoben, unter landesherrliche Verwaltung gestellt (siehe Youtube Der Heimatsender „Die Reformation und die Zerstörung der alten Welt“)

Quellen:

Rainer Schulz: “Die Thing- und Kultplätze im Muldental” S. 209

Hermann Koestler: Kloster Nimbschen. in: Mitteilungen des Landesverein Sächsischer Heimatschutz Band XXV, Heft 9–12/1936, Dresden 1936, S. 214–224

Youtube-Kanal „Der Heimatsender“

Wikipedia: Suchbegriffe Zisterzienser, Säkularisation, Hexenverfolgung, die Seiten über die einzelnen Klöster

https://www.archaeologie.sachsen.de/ausgrabungen-im-ehemaligen-kloster-nimbschen-bei-grimma-kreis-leipzig-werden-fortgesetzt-6266.html

Update:

Ich bin noch auf einen aufschlußreichen Aufsatz „Exkurs zu bauarchäologischen Beobachtungen an der Ruine des Klosters Nimbschen“ von Günter Kavacs, Norbert Oelsner und Günther Unteidig gestoßen. Hier werden ältere Lagepläne, Baubeschreibungen und bauarchäologische Untersuchungen seit 1810 bis heute zusammengefaßt. Faszinierend, was das geübte Auge des Wissenschaftlers zu erkennen vermag! Zum Beispiel wurde kurz vor der Zerstörung, nämlich im Jahr 1519, nochmal richtig investiert und umgebaut. Den Aufsatz findest Du in dem Arbeitsheft Nr. 4 „Historische Bauforschung in Sachsen“, herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen.