Kloster Buch vom Tannenberg aus

Einführung

Die Zisterzienser lebten bescheiden und arbeiteten nicht für sich, sondern in die Gemeinschaft hinein. Ihr Grundgedanke war die persönliche Bescheidenheit und der hohe Stellenwert der Gemeinschaft, die sich nicht nur auf das Kloster erstreckte, sondern auf die ganze Region mit ihren Menschen rundum. Sie waren spirituell fest verwurzelt. Durch ihren Fleiß lebten sie materiell ohne Sorgen. Das alles war die Grundlage für ihre außerordentliche intellektuelle und kreative Leistung.

Der Zisterzienserorden ist 900 Jahre alt, seine Gründung fand 1089 in Citeaux statt. Die Mönche des Ordens initiierten großartige Neuerungen für ganz Europa. Das zisterziensische Mönchstum verbreitete sich durch das Prinzip der Neugründungen (Filiationsprinzip) und Integration von Klöstern anderer Orden, durch seine spirituelle Ausstrahlung und den wirtschaftlichen Erfolg schnell europaweit. „Die Einzigartigkeit des Ordens zeigt sich in intellektueller und spiritueller Hinsicht, aber auch in seinen genialen technischen Leistungen und den bemerkenswerten Errungenschaften des Ordens hinsichtlich Organisation, Raumplanung und Bautechnik“. Dazu kamen die wirtschaftlich günstigen Umstände zu jener Zeit: in weiten Teilen Europas war das die Brakteatenzeit (ca. 1150 – 1450). Die Brakteaten waren ein Fließendes Geld ohne Guthaben- und Schuldzinsen, was die Investitionstätigkeit und den allgemeinen Wohlstand unwahrscheinlich förderte.

Die Zisterzienser waren Meister der Baukunst, wovon in Buch (leider nur noch) das 70 m lange Kapitelhaus zeugt und ein Stückchen der ehemals imposanten Klosterkirche. Eindrücklich sichtbar wird das anhand der Rekonstruktion der gesamten Klosterkirche mit Hilfe von archäologischen Untersuchungen (siehe weiter unten). Beindruckend ist die Kürze der Zeit, in der die gewaltigen Gebäude errichtet wurden, wofür eine perfekte Planung, Organisation, Beschaffung, Logistik sowie solide, praxiserprobte architektonische und baumeisterliche Kenntnisse die Voraussetzung waren. Die Meisterlichkeit drückt sich in der Erhabenheit und Harmonie der klösterlichen Bauten aus. Heute noch zu bestaunen z.B. an den Klöstern St. Marienthal in Ostritz, St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau, Marienstern (Güldenstern) in Mühlberg an der Elbe oder der Zisterzienser-Abtei Pforte in Naumburg.

Da zu den Geboten der Zisterzienser gehört, sich von seiner eigenen Hände Arbeit zu ernähren, betätigten sie sich sehr erfolgrich in der Landwirtschaft. Sie legten große landwirtschaftliche Betriebe, die Grangien, an und bewirtschafteten diese sehr effektiv. Sie beschäftigten sich mit der Weiterentwicklung von Spezialkulturen wie Hopfen-, Wein- und Kräuteranbau und der Bienenzucht.

Sie müssen großartige Ökonomen und weitsichtige Unternehmer in ihren Reihen gehabt haben. Seit der Gründung von Citeaux bis zum Ende des 18. Jh. entstanden 750 Männerabteien und 1000 Nonnenklöster in Europa. Dieses Erbe ist es wert, es bekannter zu machen, es zu bewahren und für zukünftige Visionen zu nutzen.

Das Kloster Buch – von damals bis heute

Das alte Zisterzienserkloster Buch liegt malerisch in einer Muldenschleife inmitten der sanften Muldenaue. Gegründet wurde es Ende des 12. Jh. als St. Marien. Am 10. August 1192 zogen die ersten zwölf Mönche mit ihrem Abt aus Kloster Sittichenbach ein. Anhand von Rekonstruktionen erahnt man, wie stattlich das Kloster war, nachdem Stück für Stück bis ca. 1250 alle dazugehörigen Gebäude errichtet waren. Davon steht heute nur noch das 70m lange Kapitelhaus, die östliche Begrenzung des Klosters. Im Norden schloß sich damals im rechten Winkel in Ost-West-Richtung die Klosterkirche an.

Das Photo links ist aus der Ausstellung im Kloster Buch. Man sieht das gewaltige dreischiffige Langhaus der Kirche, wovon nur noch ein Stück der Außenmauer des südlichen Seitenschiffes steht. Das Querschiff ist der Zeit komplett zum Opfer gefallen. Im damaligen Sanktuarium, damals noch mit halbrunder Apsis, befindet sich seit dem Umbau um 1600 (das Kloster gab es da schon nicht mehr) die gesamte Kapelle des Gutes. Leider ist sie nun um 180 Grad verkehrt ausgerichtet, und durch die ehemals heilige Stätte des Altarraumes „latscht“ jetzt das Volk hinein und heraus.

Auf dem mittleren Bild sieht man den heutigen Eingang zur Gutskapelle (seit dem Umbau 1600). Archäologisch freigelegt und dokumentiert ist die mehrwinklige halbrunde Apsis mit Stützpfeilern. Das kannst Du im Pflaster des Hofes farblich abgesetzt heute genau anschauen.

Auf dem Photo rechts ist die Ansicht von Osten zu sehen. Du siehst die helle Front der Gutskapelle mit dem heutigen Eingang. Links daneben liegt das langgestreckte zweigeschossige Kapitelhaus. Vor diesen Gebäuden liegt der Gutshof. Seit der Reformation, der auch dieses Kloster zum Opfer fiel, wurde das Areal durch verschiedene Eigentümer / Pächter ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Rechts noch halb im Bild siehst Du ein Stallgebäude, das im 19. Jh. entstand.

Die eigentliche Klausur, der Teil des Klosters, der ausschließlich den Mönchen vorbehalten war, liegt – aus der Perspektive des rechten Photos – dahinter. Hier – auf dieser Seite der Anlage – gibt es als mittelalterliches Gebäude nur das Abtshaus, das ca. 1400 erbaut wurde. Anfänglich wohnte der Abt bei seinen Mönchen. Erst 200 Jahre nach der Gründung des Klosters separierte er sich und hatte dann sein eigenes Domizil. Das Abtshaus war mit der Klausur durch einen Gang verbunden.

Rekonstruktion von Friedrich Gentzsch

Rekonstruktion von Friedrich Gentzsch

Die Aufgabe des Klosterbetriebes durch die Säkularisierung und Einziehung der Vermögenswerte infolge der Reformation, den anschließenden Umbau zum Landwirtschaftsgut, die Umnutzung der spirituellen Stätten und Räume als Ställe brachten entsetzliche Umbrüche in der Architektur mit sich. Die Klosterkirche wurde als Steinbruch freigegeben, nur einzelne Stücke wurden in der nun arg verkleinerten Gutskapelle verbaut. In Teilen des Kapitelhauses wurden die mittelalterlichen Gewölbestrukturen zerstört und moderne Decken eingezogen. Die Bausubstanz verfiel auch zu DDR-Zeiten weiter, es fanden keine Sicherungsmaßnahmen statt. Gebäude fielen einfach ein. Für das Klostergelände war die „Wende“ ein Segen – denn ab diesem Zeitpunkt fanden sich Menschen zusammen, sowohl in den Behörden, als auch auf privater Basis, die es sich auf die Fahne geschrieben hatten, das liebe und teure Stück unserer Vergangenheit zu retten und liebevoll und vorsichtig der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen.

Alte Details

Trotz aller Zerstörungen, Umnutzungen, Überbauungen findest Du heute noch Details aus der ursprünglichen Klosterzeit, die staunenswert, liebenswert, ja, berührend sind. Sie sind heute zugänglich dank akribischer Forschungsarbeit. Durch diese Dinge, die Du heute wieder erfahren bzw. anschauen kannst, rücken die Menschen von damals – unsere Altvorderen – auf einmal so nah, ihr Wirken wird auf einmal vertraut.

So ein Wissensdetail ist der Dachstuhl des Abtshauses: es wurde um 1400 erbaut. Der Dachstuhl ist aus Tannenholz, ein Indiz dafür, dass das Gebäude in den vergangenen 600 Jahren durchweg genutzt wurde und immer unter Dach war. Dendrochronologische Untersuchungen haben ergeben, dass die Tannen im Winter 1396, wahrscheinlich im Erzgebirge, geschlagen worden sind. Kannst Du Dir das vorstellen? Bestelle mal heute ein Dach, das 600 Jahre halten soll! :) Was waren das für wissende Künstler!

Das Abtshaus

Das Abtshaus

In der Kapelle der Infirmerie aus dem 13. Jh. sind an den Wänden auf dem ersten Putz rundum 5 Radkreuze erhalten. Durch ihre regelmäßige Anordnung wird heute davon ausgegangen, daß es früher 12 waren, die teilweise durch bauliche Veränderungen verschwunden sind. Sie wurden als „Weihekreuze“ verwendet, mit denen die Kapelle geweiht wurde. Das Symbol des Radkreuzes stammt aus einer Zeit weit vor dem Christentum. Das Kreuz ist das Zeichen der Erde, des Materiellen, des Mikrokosmos. Der Kreis symbolisiert den reinen Geist. Das Radkreuz symbolisiert die Materialisierung der Schöpfung und ist ein sehr kraftvolles heiliges Zeichen, das auch später immer wieder aufgegriffen wurde. Oft in Form des Tatzenkreuzes, in der Kreuz und Kreis quasi miteinander verschmelzen. (z.B. als Templerkreuz, Ordenskreuz des Deutschen Ordens, Schwarzes Kreuz der Bundeswehr)

In einer Nebenkapelle der ehemaligen Klosterkirche wurden Reste einer schlichten Wandmalerei wiederentdeckt. Sie besteht aus einem zweireihigen Schachbrettmuster aus roten und weißen Quadraten mit einer Kordelverzierung, ähnlich einem imitierten Wandbehang. Dieses Ornament erscheint auch im Wappen des Klosters von 1442. Als Hommage an die Künstler, die die erste Wandbemalung vornahmen, wurde die Gutskapelle bei der Renovierung durch Hugo Altendorff im späten 19. Jh. mit diesem Fries versehen.

Im Dormatorium, dem Schlafsaal der Mönche in der 1. Etage des Kapitelhauses, finden sich die berührendsten Spuren. In den Wänden waren früher nachgewiesen viel mehr Fensteröffnungen als heute zu sehen. Und jeder Mönch hatte sozusagen seine eigene Fensternische, an der sein Bett stand. Die Mönche lebten früher in einem strengen Reglement und taten alles gemeinsam: beten, essen, arbeiten, lernen und schliefen auch gemeinsam in einem Saal. Doch scheinbar gab es diese eine Möglichkeit der Auslebung der Individualität – die Ausgestaltung der Fensternische am Bett.

Im Original vor Ort sind diese sehr unterschiedlichen persönlichen Details in den Nischen noch viel besser zu sehen. Und es scheint, als sei das noch gar nicht so lange her, daß hier ein Mensch mit Farbe und Pinsel stand.

Vielen Dank an die fleißigen Organisatoren, Historiker, Archäologen, Studenten, die hier tätig geworden sind. Auch an all die Menschen, die hier ihre Zeit investieren, und an die, die das finanziell möglich machen! Der Förderverein Kloster Buch leistet hier eine extrem wertvolle Arbeit.

Quellen und Inspiration:

Steffen Delang, Franziska Koch, Heinrich Magirius, Thomas Schmidt „Das Zisterzienserkloster Buch – Arbeitsbericht zur Bauforschung“ Arbeitsheft 9, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen

https://www.cister.net/charta-der-werte/?lang=de Das ist die Europäische Charta der Zisterzienser-Abteien und -stätten. Sie vereinigt 200 zisterziensische Stätten in 11 Ländern und schützt und bewahrt das reiche materielle und immaterielle Kulturerbe der Zisterzienser.

www.klosterbuch.de Das ist die Webseite vom Förderverein Kloster Buch

https://www.abtei-lichtenthal.de/kloster/spiritualitaet-der-zisterzienser/der-zisterzienserorden/ Hier wird der spirituelle Hintergrund der Zisterzienser beschrieben.

https://www.neuesgeld.net/index.php?option=com_k2&view=item&id=5:brakteatenzeit-ca-1150-1450-fliessendes-geld-im-mittelalter&Itemid=199   Etwas Hintergrund zum Finanzmodell der Brakteatenzeit