Mulde bei Nimbschen

Einführung

Die Mulde, anfangs als Zwickauer Mulde und als Freiberger Mulde, dann ab Sermuth am Zusammenfluß die Vereinigte Mulde, prägt die Muldentaler Landschaft in unserem schönen Sachsen. Wunderbar, daß im Gegensatz zu anderen großen Flüssen in Mitteldeutschland, an der Mulde vergleichsweise weniger „herumgebastelt“ wurde. Sie hat in ihrem Verlauf noch einen großen Anteil an relativ ursprünglicher Aue mit typischem Bewuchs und kleinteiliger landwirtschaftlicher Nutzung in Abhängigkeit von Wassernähe und Rhythmus von Überflutungen. Gesiedelt wurde auf dem Gebiet der Aue vor Beginn der Neuzeit überhaupt nicht, da es einfach wegen des Wassers zu riskant war. Dafür gibt es beidseitig auf dem höher liegenden Land Unmengen an Spuren und Funden, die belegen, daß dieses Gebiet am Fluß seit Urzeiten bei den Menschen beliebt war und zahlreich besiedelt wurde. Älteste menschliche Spuren, die wir heute noch finden können, sind 12.000 Jahre alt. Landwirtschaftliche Nutzung ist seit 5.000 Jahren belegt. Der Fluß spendet Leben, Nahrung, Transportmöglichkeit, die liebliche Natur Inspiration, Erdverbundenheit und spirituelle Verwurzelung.

Muldenvereinigung bei Sermuth

Muldenvereinigung bei Sermuth – von links die Zwickauer, von rechts die Freiberger Mulde, Blick flußabwärts

die beiden Flußauen

wunderschöner Blick über die beiden Flußauen, an der Baumgruppe in der Mitte ist der Zusammenfluß, im Hintergrund der Thümmlitz. Hier, wo die Naturgewalten sich vereinigen, wird stark mit Deichen gegengesteuert. Stell Dir vor, wie langsam das Wasser über die ganze Breite wäre, sich verteilen würde über Nebenflüßchen und kleine Seen und Teiche.

Was ist die Muldenaue?

Dank Marcel vom YouTube-Kanal „Heimatsender“ habe ich die Flood Map entdeckt. Das ist ein Programm, mit dessen Hilfe Du den allgemeinen Meeresspiegel absenken und steigen lassen kannst. Du siehst auf der Karte dann, welche Landstriche sich aus dem Wasser erheben bzw. vom Wasser bedeckt werden. Es ist kein Programm zur Simulation von Hochwassern, die ja wetterbedingt durch Regen und Schneeschmelzen entstehen, und von höher gelegenen Gebirgen nach unten strömen. Hier geht es um die gleichmäßige Veränderung des Wasserspiegels auf der Erde.

Ich habe die Flood Map benutzt, um die Muldenaue anschaulich darstellen zu können. In den Beispielen unten siehst Du durch die Erhöhung des Wasserspiegels die Form und die Fläche der Flußaue. Du wirst bemerken, wie breit die Aue an vielen Stellen ist, bevor sich links und rechts des Flusses das Land erhebt. Die Muldenaue erreicht eine Breite von bis zu 3 km, die sie in Zeiten vielen Wassers (Jahrhundertflut 2002) auch ausfüllt.

Die Muldenaue wird durch Altwasserarme, Tümpel, Flutrinnen und Gräben, und natürlich durch zufließende Bäche strukturiert. Besonders ausgeprägt ist dies im Bereich Mittlere Mulde (zwischen Wurzen und Dessau), wo die Anzahl der Fließgewässer in der Aue enorm hoch ist. „Insgesamt sind in dieser Landschaft Fließgewässer mit einer Gesamtlänge von 210km vorhanden. Die Flußnetzdichte beträgt 2,0 km/qkm und ist damit nicht nur für eine Tieflandaue außergewöhnlich hoch. Es ist der höchste in allen Landschaften erreichte Wert, sogar noch vor der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Er begründet sich durch die zahlreichen Altarme der Mulde und in sie einmündende Gewässer, die ein dichtes Netz an aquatischen Lebensräumen ergeben. Auch wenn in der Aue überwiegend Landwirtschaft betrieben wird, ist die Mulde nach wie vor ein Fluß mit hoher Auendynamik“.

Die Frage, die wir uns stellen können, ist, ob in vergangener Zeit weit mehr Wasser auf der Erdoberfläche vorhanden war. Es gab weder großflächige Melioration, noch künstliche Entwässerung von Flächen durch Gräben, noch permanente Trinkwasserentnahme aus dem Grundwasser für Städtemolochs und Industrie. Waren die Auen der Flüsse dauerhaft oder zumindest oft gefüllt? Der Fluß hat sie ja irgendwann selbst angelegt.

Waren die Altarme, die heute nur bei Hochwasser mit der Mulde verbunden sind, früher dauerhaft mit ihr verbunden? Waren Teiche und Teichgruppen in der Aue miteinander und mit der Mulde verbunden? Waren sie vielleicht sogar eine Art Zugang per Schiff zu Siedlungen und anderen Stätten am erhöhten Rand der Aue? Am Kloster Nimbschen gibt es einen Altarm, die Nimbschener Lache, die bis kurz vor das Klostergelände führt. In historischen Dokumenten ist auch belegt, daß das Kloster über mehrere Fischteiche (auf der anderen Seite der heutigen Straße nach Grimma) verfügte, die von der Mulde gespeist wurden. Der Rest davon ist der heutige Auenteich.

Unsere mitteleuropäischen Flüsse und ihre Auen wurden mit Beginn der Neuzeit, um immer größere Schiffe passieren lassen zu können und um Siedlungsraum zu gewinnen, mit Regulierungsmaßnahmen überzogen, begradigt, eingedeicht, die Auen trockengelegt. Doch bei starken Hochwassern, die Deiche und Dämme überspülen, sehen wir die ursprünglichen Flußbetten – dorthin kehrt der Fluß immer wieder zurück.

Bei meinen Recherchen zur Geschichte des Zisterzienserklosters Buch ist mir aufgefallen, daß Überflutungen des Klostergeländes nicht erwähnt wurden. Das Wasser hatte noch anderweitig genügend Platz zum Umfließen (siehe Floodmap-Bild oben).

Durch Begradigungen und Eindeichungen werden Flüsse ja künstlich vekürzt. Da der Durchsatz an Wasser der gleiche bleibt, bedeutet das eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit. Von der Mulde sagt man, sie sei einer der schnellsten Flüsse Europas. Vielleicht floßen unsere Flüsse in ihren natürlichen Betten früher viel gemächlicher? Die Mulde ist heute nicht schiffbar. Vielleicht hatten wir früher sehr wohl die Möglichkeit, die Mulde und ihre Arme zu befahren? Schiffe mit flachen Böden, die ohne weiteres trockenfallen konnten, und mit Segeln, um stromauf fahren zu können? Eine schöne Vorstellung.

Auf den Spuren unserer Altvorderen entlang der Mulde

Bei der Namensdeutung muß man beachten, daß Flußnamen, ähnlich wie auch Flurnamen, die ältesten überlieferten geographischen Namen sind, und ihr Ursprung liegt tief verwurzelt in der Vergangenheit der Menschen. Daher sind neuere Deutungen (z.B. mel – mahlen – Mühle) mit Vorsicht zu betrachten. Ja, auch an der Mulde wurde die Wasserkraft zum Mahlen des Korns verwendet, dies ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal und mutet trivial an. Auch die oft genannte Deutung milda = die Wasserreiche ist wenig schlüssig, und es ist nicht erkennbar, aus welcher Sprache der Wortstamm stammen sollte.

Was jedoch viel älter ist, sind die zahlreichen Malstätten beidseits der Muldenaue. mal = mahal stammt aus dem Althochdeutschen und Altsächsischen, bedeutet „Gericht, Versammlung, Rede“. Das sind die uralten Heiligen Stätten und Gerichtsstätten unseres Volkes.

Das Wort mahal kommt auch in Sanskrit vor und bedeutet dort „teuer“ und „sehr kostbar“. Nimmt man beide Deutungen zusammen, könnte auch geschlußfolgert werden, daß sowohl der Fluß als auch die an seinen Seiten liegenden Stätten den Menschen heilig, kostbar und teuer waren im Sinne von „lieb und teuer“ und von größter Bedeutsamkeit. Und sie den Fluß als Mittelpunkt ihres Lebens und spirituellen Seins nach diesen Stätten benannt haben.

Und wo sind diese Stätten jetzt zu finden? Zuerst einmal überall dort, wo Du heute Klöster, Kirchen und Burgen siehst. Sie wurden auf den alten Heiligen Plätzen gebaut, um genauso die dort vorhandene gute Energie spüren und nutzen zu können. Sie stehen immer erhöht, aber im „Blickkontakt“ mit dem Fluß. Auf der Blogseite www.elbe-orte.de unter dem Stichwort „Mulde“ findest Du eine ausführliche Aufzählung der auch heute unbedingt besuchenswerten Orte und Bauwerke. Auch die alten Dorf- und Stadtkerne, links und rechts erhöht über der Muldenaue gelegen, gehen auf die frühesten Besiedlungen zurück, oft sind auf den Dorfangern und Marktplätzen noch alte Mauerreste, einzelne große Steine oder Borne zu finden.

Jedoch gibt es auch versteckte und fast vergessene Orte, die zu den Heiligtümern unserer Vorfahren zählen. Am Westrand der Muldenaue bei Nimbschen findest Du alte Hügelgräber, genau wie an der „Böschung“ zum Thümmlitzwald, wo sich ein sehr großes Hügelgräberfeld befindet. Vielleicht nur Friedhöfe, vielleicht aber auch Sitz und Anbetungsort von Heiligen.

Weitere Hinweise auf alte Plätze sind zahlreich vorkommende Steinkreuze. Du findest sie mitten im (heutigen) Wald, an Straßen- und Wegesrändern, an Kirchen- und Friedhofsmauern oder direkt in diese eingemauert. Aufgrund ihres gesamteuropäischen zahlreichen Vorkommens hatten sie sicherlich einen übergeordneten Sinn und Zweck. Geschichtsforscher sagen, als „redendes Haupt“ könnten sie auf frühere Thingplätze hinweisen, besondere Plätze, an denen die Dorfgemeinschaft sich traf, Versammlungen abgehalten und Gericht gesprochen wurde.

Du siehst, hier war auch in längst vergangenen Zeiten richtig viel los. Unsere Altvorderen ehrten ihre Gottheiten, ihre Ahnen und die Naturwesen. Sie waren naturverbunden, hatten eine genaue Beobachtungsgabe und lebten mit den Rhythmen des Wassers. Bei ihnen standen Geben und Nehmen im Zusammenleben mit der Natur noch im Einklang.

Vielleicht können meine Zeilen und die Bilder von diesen schönen Orten Deine Phantasie genauso inspirieren, Deinen Blick öffnen und weiten und Dich ermuntern, in Deiner Umgebung selbst auf Entdeckungstour zu gehen – das würde mich sehr freuen. Ich wünsche Dir viel Spaß dabei!

Quellen und Inspiration:

Flood Map   https://www.floodmap.net/

www.blaues-band.de  mit Übersichtskarte über den Verlauf der Mulden

hier eine Seite mit Literaturhinweisen: https://www.blaues-band.de/mulde/mulde-literatur.php

Projekt „Wilde Mulde“ www.wilde-mulde.de

ein Film über das „Wilde Mulde“-Projekt: https://www.youtube.com/watch?v=nNxoQ2IGXV0

YouTube-Kanal „Projekt Wilde Mulde“ https://www.youtube.com/@projektwildemulde4707/videos

Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie „Steckbrief Mittlere Mulde / 4“  https://www.natur.sachsen.de/download/4_Mittlere_Mulde.pdf

Friedrich Gentzsch „Das Zisterzienserkloster Buch – Baubeschreibung und Geschichte in einem Überblick“  Förderverein Kloster Buch e.V., 2022

www.elbe-orte.de/mulde/

Dr. Gustav Kuhfahl „Die alten Steinkreuze in Sachsen“ Landesverein Sächsischer Heimatschutz, 1928