Wieder im Harz – diesmal hat es uns der Ort Gernrode angetan. Gernrode ist ein malerisches Harzstädtchen und hat, wie der gesamte Harz, Sagen und Legenden, die tief in die Vergangenheit zurückreichen, die den Forschergeist erwecken und die Phantasie beflügeln. Es hat Bauten und Orte, die auch heute noch davon erzählen, wenn Du Deine Sinne für sie öffnest…
Die Örtlichkeit von Gernrode und wichtige Orte:
Gernrode liegt am Harz-Nordrand und schmiegt sich an die nach Norden abfallenden bewaldeten Harzhänge. Landschaftlich den Ort prägend sind das Hagental, das zwei nordwestlich auslaufende Bergrücken teilt und der darin herabfließende Hagentalbach und ein östlich anschließender Bergrücken in West-Ost-Richtung mit Steilhang nach Norden Richtung Rieder, dem Nachbarort, dieser Bergrücken wird auch „Gernröder Schweiz“ genannt. Der alte Stadtkern befindet sich – wie meist – an der höchsten Stelle im Ort. Hier finden wir den Markt, der von der Lindenstraße und der Marktstraße umgeben ist. Auf dem Markt wurde ca. um 1064 der Bau der St.-Stephanus-Kirche aufgenommen. Aufgrund des Kirchenbaues können wir erahnen, daß dieser Platz schon lange vorher eine Funktion hatte und bereits vor der Christianisierung für unsere Altvorderen von Bedeutung war. Da Straßennamen in alten Ortskernen oft unverändert überdauert haben, weist uns die Lindenstraße eindeutig auf einen Thingplatz hin, einen Versammlungs- und Gerichtsplatz. Und auch das heute noch vorhandene Thingkreuz auf dem Markt könnte ein Hinweis darauf sein. Heute steht am Markt eine 1871 gepflanzte Eiche, sie könnte den Platz der Thinglinde eingenommen haben.
Wahrscheinlich geht auch die Auswahl des Bauplatzes des St.-Cyriakus-Stifts auf die Anordnung Heinrichs I. (Burgenordnung) zurück, die alten heiligen Plätze der dort lebenden Bevölkerung weiter zu nutzen und zu überbauen. Die Anlage des St.-Cyriakus-Stifts mit der gewaltigen Stiftskirche befindet sich an der Burgstraße, etwas unterhalb des Marktes / Thingplatzes. Auf dem Markt- / Thingplatz selbst hätte diese große Anlage keinen Platz gehabt. Und dazu kommt, daß es das Anliegen Geros war, ein freies weltliches Stift zu errichten; Zugang zur Stiftskirche hatten nur Mitglieder des Stiftes. So wurde dann für die Pfarrgemeinde des Ortes auf dem ursprünglichen alten Thingplatz St. Stephanus als Gemeindekirche erbaut.
Markgraf Gero und Burg Geronisroth:
Gero, aus der Familie der Merseburger Grafen, wurde von Otto I. 937 zum Markgrafen der Ostmark ernannt. Es war seine Aufgabe, die Ostgrenzen des Reiches gegen die „Slawen“ (oder sich der Christianisierung noch widersetzenden Volksstämme?) zu sichern. Auch durch Gero wurden weitere Osteroberungen vorangetrieben, verbunden mit der Christianisierung der dort lebenden Menschen. Durch seine Nähe zu Otto I. und seine Funktion als wichtige Stütze des Kaisers, war er reich begütert.
959 soll der Bau der Stiftskirche St. Cyriakus begonnen worden sein. Für das Stift, in dem junge adlige Mädchen erzogen, ausgebildet und auf das Erwachsenenleben der damaligen Zeit vorbereitet wurden, erhielt Gero 961 per Urkunde durch Otto I. und danach auch durch Otto II. kaiserlichen Schutz. 963 erwirkte er außerdem das päpstliche Privileg und somit päpstlichen Schutz. Somit war das Stift dem Machtbereich der Bischöfe von Halberstadt entzogen. Bis 1806 genoß das Stift durchgängig diesen Schutz durch Kaiser und Papst und damit Immunität und Autarkie.
Unter Hathui, der Schwiegertochter Geros, der ersten Äbtissin, wurde der Bau bis ca. 1014 fertiggestellt. Bereits beim Tod Geros 965 war der Bau (erstaunlicherweise!) so weit gediehen, daß er in der Vierung beigesetzt werden konnte.
„Gero hatte bei Gernrode eine Burg Geronisroth, neben der er nach dem frühen Tod seiner beiden Söhne das Damenstift St. Cyriakus gründete. Es war als Versorgungseinrichtung für seine junge Schwiegertochter Hathui gedacht.“ (ausflugsziele-harz.de) – Mit diesem Hinweis kommen wir zu einem dritten wichtigen Ort in Gernrode, der Burg Geronisroth. Bei meinen Recherchen bin ich auf unterschiedlichste Hinweise über den Platz der Burg gestoßen. Es sind keine materiellen Spuren, wie Mauern, Fundamente, Gebäude von der Burg erhalten. Manche vermuten, das Stift wurde direkt an der Stelle bzw. auf dem Gelände der alten Burg erbaut. Andere Forscher sagen, es gäbe Hinweise darauf, daß die Burg vor dem Bau des Stiftes bereits existierte, aber auch noch in der Zeit, als das Stift bereits erbaut war. Diese Spur und der Name der Straße „Im Hagen“ führt uns in das Hagental. Der oberste Adlige oder Graf eines Gaues war auch immer der oberste Richter. Das Tal wird von dem Hagentalbach durchflossen. Hagen = hegen = ein eingehegter (umbauter, umwallter) Ort. Bach = bag = Gericht. Also ein eingehegter Gerichtsplatz – eine Burg.
Am Ausgang des Tals, etwas erhöht auf einer größeren ebenen Fläche gelegen, an zwei Seiten vom Hagenbach umflossen, der zu früheren Zeiten bestimmt ein ernstzunehmender Gebirgsfluß war, im Rücken durch die steilen Bergabhänge und zusätzliche Befestigungen geschützt, hatte man einen guten Überblick über den Talausgang und darüber hinaus. Die Flood Map zeigt, daß der Platz höher liegt als der Thingplatz auf dem Markt und sowieso höher als der Platz des Stiftes. Das bedeutet, er konnte viel früher bereits genutzt werden, als im Harzvorland noch das Wasser war. Und es ist möglich, daß sich Geros Burg auf einem sehr viel älteren von Menschen benutzten Platz befand.
An der Straße Im Hagen auf dem Weg zu diesem Platz steht ein Stein mit einem gerade noch zu sehenden Malkreuz, auch das ist ein möglicher Hinweis auf eine alte Malstätte, also einen alten Heiligen Platz.
Die Alteburg:
Der Wald ringsum, durchzogen von Wanderwegen, lädt natürlich auch zum entspannten Wandern und Spazierengehen ein. Aufatmen unter Bäumen, die frische Herbstluft tief in sich aufnehmen, sich einmal richtig dehnen und strecken und in den Himmel schauen – das sei auch auf einer Forschungsreise erlaubt :) Bei dieser Gelegenheit wanderten wir auf den Bergrücken, der im Volksmund „Gernröder Schweiz“ genannt wird, um vielleicht noch einen weiteren Ort aus der Geschichte Gernrodes zu entdecken. Das Energietanken im Wald und das Strecken zur Sonne und zum Himmel – eine pure Quelle der Kraft, gleichzeitig die Verbindung zur Erde und zum Himmel spürend – das kannten und nutzten mit großer Sicherheit auch unsere Altvorderen. Und deshalb finden wir ihre Spuren oft auf den höchsten Punkten von Bergen und Hügeln, umgeben von Wald. So auch hier: nur durch vorheriges Studieren des vagen Materials im Internet und genaues Beobachten der Landschaft entdeckt man die alten Wallanlagen, überwuchert von Brombeergestrüpp und versteckt unter umgestürzten Bäumen. Es sind noch ein Ringgraben, ein Halsgraben und ein Wall zu sehen bzw. zu erahnen. Das Ganze befindet sich auf dem höchsten Areal des Bergrückens und zieht sich bis zu einem Bergsporn, von dem aus es an drei Seiten fast senkrecht hinuntergeht.
Man sagt, tanzende und sich drehende Buchen (sogenannter Drehwuchs) wären ein Zeichen von Orten oder Linien mit besonderer Energie. Wenn das stimmt, waren wir tatsächlich an einem Energieplatz. An einer Stelle (siehe Photos) war das besonders zu spüren. Schade, daß dieser Platz überhaupt nicht gepflegt wird, in nicht allzu langer Zeit wird er aufgrund der Vegetation nicht mehr auffindbar sein.
Die von mir gefundenen Quellen sprechen von einer Bauzeit der Alteburg im 9. / 10. Jh.. Baumaterial wäre Holz gewesen, deshalb wären keine Spuren der Bauten mehr vorhanden. Doch wenn ich mir anschaue, daß im 10. Jh. auch die Stiftskirche erbaut wurde, dann paßt das kulturell gesehen überhaupt nicht zusammen: hier eine Wallanlage mit Holzbauten „als Schutzburg für die Anwohner“, dort ein steinerner Prachtbau? Wer sich hier aufhielt und zu welcher Zeit, bleibt ungewiß. Nach meinem Gefühl ist diese Anlage weit älter und hatte eher eine heilige Funktion, vielleicht ein Kult- und Ritualplatz. Auf der Webseite ausflugsziele-harz.de wird berichtet, es wären dort ein Steinmeißel, vorgeschichtliche Scherben sowie ein Kurzschwert gefunden worden. Diese Funde wollen auch nicht so richtig zu der angegebenen Bauzeit passen.
Hier gibt es noch viel mehr zu entdecken und zu enträtseln, davon bin ich überzeugt. Abgesehen davon ist Gernrode ein guter Ausgangspunkt für wunderschöne Wanderungen in die geheimnisvolle Welt des Harzes. Auf jeden Fall ist das hübsche Fachwerkstädtchen einen oder mehrere Ausflüge wert!
Wenn Du magst, laß mir gern Deine Gedanken und Anregungen, auch Deine Entdeckungen und Erfahrungen zukommen und schreibe mir an: info@hobby-kreativ.de – vielen Dank!
Quellen und Inspiration:
Wikipedia: Stichworte Stiftskirche St. Cyriakus, Langobarden, Lombardische Baustile, Gero
Flood Map
Markgraf Gero und seine Abstammung: https://www.wissenswertes.ausflugsziele-harz.de/ausflugsziele-sehenswertes/kultur-geschichte/markgraf-gero.htm
Kultur- u. Heimatverein Quedlinburg über Gernrode: https://www.khv-quedlinburg.de/index.php/stadtkultur/beitraege-aus-den-ortsteilen/176-mit-geronisroth-hat-alles-begonnen
Hinweise auf die Alteburg: https://www.alleburgen.de/bd.php?id=26767